Arnold Schönberg

Ein Brief Arnold Schönbergs vom 7. Januar 1933 dokumentiert die enge Zusammenarbeit zwischen dem ersten Chefdirigenten des hr-Sinfonieorchesters Hans Rosbaud und dem Hauptrepräsentanten der Zweiten Wiener Schule in den frühen Jahren von Radio Frankfurt. Dem gemeinsamen künstlerischen Engagement im neuen elektronischen Medium ist dabei auch einer der bedeutendsten Aufsätze Schönbergs zu verdanken – über Johannes Brahms.

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Arnold Schönberg: Radio-Vortrag über seine »Variationen für Orchester op. 31«, Aufnahme vom 22. März 1931

Arnold Schönberg hält einen Vortrag
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Lieber Herr Rosbaud,

entschuldigen Sie bitte. Ich habe einerseits gearbeitet und andererseits weiß ich noch immer nicht, welchen Vortrag ich bei Ihnen halten soll… Was den Vortrag anbelangt, so ist es allerdings höchste Zeit, eine Entscheidung zu treffen.

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Arnold Schönberg: Variationen für Orchester op. 31, Aufnahme vom 23. März 1931

Arnold Schönberg
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Zu diesem Zweck wäre es am besten, wenn Sie mir folgende Fragen so rasch als möglich beantworten würden:

1. Wie lange darf ein Vortrag ohne Musik sein?
2. Welche Stunde haben Sie am 11. Februar angesetzt?
3. Welches ist das äußerste Honorar, das Sie mir anbieten können (unter Berücksichtigung dessen, dass ich einen Vortrag eigens für Frankfurt schreiben müsste)?
4. Können Sie mir selbst ein Thema vorschlagen? …

Würde Sie ein Vortrag über Brahms interessieren? Ich hätte hier wahrscheinlich etwas zu erzählen, was nur ich sagen kann. Denn meine Altersgenossen und die, die älter sind als ich, haben zwar auch noch die Brahmszeit erlebt, sind aber nicht »modern«. Die jüngeren Brahmsianer aber kennen die Brahmstradition nicht mehr aus eigenem Erleben und sind auch meistens zu »reaktionär«. Aber: ich denke an Kompositionstheoretisches, nicht an Anekdotisches…

Schönbergs berühmtester Aufsatz

Hans Rosbaud führt mit dem hr-Sinfonieorchester nicht nur Schönbergs Werke auf (etwa die Uraufführungen der »Begleitmusik zu einer Lichtspielszene« und der »Vier Lieder op. 22«), er lädt die Führungsfigur der musikalischen Avantgarde auch zu Vorträgen ein. Am Tag vor der Aufführung der »Variationen op. 31« im März 1931 ist so eine öffentlicher Vortrag Schönbergs mit einer Analyse des Werkes im Frankfurter Sender zu hören. Bei der Uraufführung der »Vier Lieder für Gesang und Orchester op. 22« im Februar 1932 trägt Rosbaud selbst eine Analyse Schönbergs im Sender vor; und der zitierte Brief verweist auf einen dritten Vortrag, den Schönberg letztlich am 12. Februar 1933 in Radio Frankfurt hält: »Brahms, der Fortschrittliche« ist sein Titel, und er sollte in seiner englischen Fassung, die Schönberg später im amerikanischen Exil veröffentlicht, zu seinem wohl berühmtesten Aufsatz werden.