G. Fr. Händel: Tanzsuite aus »Almira« / Concerto a due cori F-Dur HWV 334 | Giuseppe Sammartini: Blockflötenkonzert F-Dur | Antonio Vivaldi: Blockflötenkonzert C-Dur RV 443

Ganz spontan: Was fällt einem zum Thema Blockflöte ein? Ganz klar: Grundschule, schiefe Töne, schlechte Laune bei allen Beteiligten. Auch bei Maurice Steger basierte der Erstkontakt mit der Blockflöte auf dieser nicht unproblematischen Tradition.

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Programm

MAURICE STEGER | Blockflöte / Dirigent

Georg Friedrich Händel | Suite de dance aus »Almira« HWV 1
Giuseppe Sammartini | Concerto F-Dur für Blockflöte, Streicher und B.c.
Antonio Vivaldi | Concerto C-Dur für Flautino, Streicher und B.c. RV 443
Georg Friedrich Händel | Concerto a due cori F-Dur HWV 334

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In der Grundschule hatte er Flötenunterricht – »aber das war eine Katastrophe. Ich hatte echte motorische Probleme. Die anderen Kinder spielten viel besser, die Lehrerin ist fast an mir verzweifelt«. Als Schweizer lag ihm das Skilaufen mehr, er fuhr Abfahrtsrennen. Doch als 13-Jähriger habe er dann bemerkt, »dass dieses Instrument nicht nur Probleme mit sich bringt, sondern auch Geheimnisse. Wie schwer ist es, einen beseelten Klang aus diesem Stück Holz hervorzuzaubern. Diese Aufgabe beschäftigt mich bis heute« – und das, obwohl Maurice Steger mittlerweile der wohl angesehenste und zugleich faszinierendste Blockflöten-Virtuose ist, ein Musiker, der das ramponierte Image dieses so oft gequälten Instruments mächtig aufpolierte. Vergesst also alles, was Ihr zum Thema Blockflöte zu wissen glaubt!

Georg Friedrich Händel (1685–1759)
Tanzsuite aus »Almira« / Concerto a due cori F-Dur HWV 334

DER KOMPONIST

Georg Friedrich Händel, 1685 in Halle an der Saale geboren und 1759 in London gestorben, ist neben Johann Sebastian Bach zweifellos der wichtigste Repräsentant des musikalischen Barock. Im gleichen Jahr geboren wie Bach, war Händel im Gegensatz zu seinem in protestantischer Zurückgezogenheit und auf den sächsisch-thüringischen Raum begrenzt wirkenden Kollegen nicht nur von seinem Lebensweg her ein »Weltbürger«. Auch seine strahlend-brillante Musik atmet »europäischen Geist«. Händel gelang in ihr eine geniale Verbindung deutscher, italienischer, französischer und englischer Traditionen, und so gewann seine synthetisierende, gleichwohl eigenständige Tonsprache auch für die nachfolgenden Komponistengenerationen Europas eine Vorbildfunktion.

Bereits in jungen Jahren sammelte Händel nach einem mehr als zweijährigen Aufenthalt in Hamburg wichtige Erfahrungen in Italien, wo er ab 1706 die Musik Arcangelo Corellis sowie Alessandro und Domenico Scarlattis studierte. Er hielt sich in Rom, Florenz, Venedig und Neapel auf, machte sich einen Namen als Orgelvirtuose und schrieb zahlreiche Kantaten und Oratorien, deren Material er teilweise in seinen späteren Opern verarbeiten sollte. 1710 berief man Händel als Hofkapellmeister nach Hannover; noch im selben Jahr jedoch unternahm er auch seine erste Reise nach London, wo er ab 1712 schließlich den größten Teil seines Lebens verbrachte.

Händel, der 1727 für seine Verdienste die britische Staatsbürgerschaft erhielt, wurde im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts zum bedeutendsten Komponisten der italienischen Opera seria. Den nachfolgenden Generationen allerdings galt er mehr und mehr als ein genialer Oratorien- und Instrumentalkomponist. Erst die Händel-Renaissance der 1920er Jahre brachte eine Wiederbelebung seines über 40 Werke umfassenden Opernschaffens, so dass die Fülle seiner musikalischen Ideen und Neuerungen auch auf diesem Gebiet neu entdeckt werden konnte.

DIE WERKE

Die Musik Georg Friedrich Händels genoss zwar eine derart kontinuierliche und positive posthume Rezeption, wie das keinem seiner Zeitgenossen oder Vorgänger vergönnt war; wirklich bekannt und beliebt war er jedoch lange Zeit fast ausschließlich als Schöpfer monumentaler englischsprachiger Oratorien. Dass er zugleich mit nicht weniger als 42 Bühnenwerken auch der bedeutendste Komponist italienischer Opern in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war, gelangte im Wesentlichen erst ab den 1920er Jahren allmählich ins Bewusstsein der musikalischen Öffentlichkeit, als die Wiederentdeckung von Händels musikdramatischem Œuvre einsetzte.

Im Alter von 18 Jahren war dieser 1703 aus seiner Geburtsstadt Halle nach Hamburg gegangen, damals das wohl bedeutendste Zentrum bürgerlichen Musiklebens in Deutschland. Diesen Ruf verdankte die Hansestadt allen voran dem 1678 eröffneten Opernhaus am Gänsemarkt, deren Leitung der erfolgreiche Opernkomponist Reinhard Keiser gerade im Jahr von Händels Ankunft übernommen hatte. Die bestens ausgestattete Hamburger Oper war die einzige feste deutsche Kompanie jener Jahre außerhalb des höfischen Kontextes, somit aber eben auch ein gewinnorientiertes Wirtschaftsunternehmen. Doch der Betrieb eines Opernhauses ist ja seit jeher mit großen finanziellen Risiken behaftet, und so musste Händel bei seiner Ankunft an der Elbe enttäuscht feststellen, dass die Gänsemarkt-Oper gerade wieder in Schwierigkeiten steckte und vorübergehend geschlossen war.

Dennoch konnte der ehrgeizige und hochtalentierte junge Mann bald im Opernorchester als zweiter Geiger und später als Continuo-Cembalist Fuß fassen, vermutlich auf Empfehlung seines neuen Freundes und Mentors, des Komponisten, Sängers und Kapellmeisters Johann Mattheson. Dass Händel aber schon sehr bald die unverhoffte Gelegenheit erhielt, sich auch als Opernkomponist zu beweisen, verdankte er letztlich der Verkettung für ihn günstiger Umstände.

Operndirektor Keiser hatte Anfang 1704 das venezianische Opernlibretto »L’Almira« (1691) nach Hamburger Geschmack einrichten lassen, um es selbst zu vertonen. So entstand eine deutsch-italienische Mischfassung des Textes, die im Vergleich zum Original auch zusätzlichen Raum für Prunk- und Tanzszenen nach »französischer Art« bot. Die beiden ersten Akte hatte Keiser bereits komponiert, als er im Sommer 1704 kurzfristig an den Weißenfelser Hof reiste und dort eine nach aristokratischem Gusto nochmals umgearbeitete Fassung der »Almira« fertigstellte und dirigierte. Damit konnte er aber die bereits für den Herbst 1704 groß angekündigte Hamburger Premiere der »Almira« nicht selbst realisieren, an welche die Operndirektion jedoch offenbar große Hoffnungen finanzieller Art knüpfte und die daher keinesfalls abgesagt werden durfte.

Da auch Mattheson aus diversen Gründen nicht für die Aufgabe zur Verfügung stand, das Hamburger Libretto zu vertonen, erhielt der 19-jährige Händel die Chance, als Opernkomponist zu reüssieren. Er muss von seiner Begabung bis dahin bereits ausreichendes Zeugnis abgelegt haben, doch als Bühnenkomponist war er noch vollkommen unerfahren. Mattheson berichtete Jahrzehnte später nicht ohne eine gewisse Eitelkeit, wie Händel seine »Almira«-Musik Szene für Szene zu ihm brachte, um sie vom Freund kritisch begutachten zu lassen.

Händels Opernerstling kam schließlich im Januar 1705 auf die Bühne und erzielte dort mit rund 20 Aufführungen innerhalb weniger Wochen einen großen Erfolg. Diese einzig erhaltene der vier (zumindest größtenteils) deutschsprachigen Opern Händels zeichnet sich dabei auch durch die auffallend hohe Zahl von Tanzsätzen aus, mit denen die Schöpfer von »Almira« die Vorliebe des Hamburger Opernpublikums für Balletteinlagen nach französischem Vorbild befriedigten. Im heutigen Konzert erklingt eine abwechslungsreiche Zusammenstellung aus diesen rein instrumentalen Nummern, wobei diese »Tanzsuite« mit der ebenfalls im »französischen Stil« gehaltenen Ouvertüre zu »Almira« eingeleitet wird. Die Tanzfolge enthält mit der Sarabande auch die ursprünglich-schlichte Version einer der berühmtesten Händel-Kompositionen: der Arie »Lascia ch’io pianga« aus der 1711 entstandenen Oper »Rinaldo«.

Fast alle reinen Orchesterwerke, die Händel in den letzten Jahrzehnten seines Lebens schrieb, verdanken ihre Entstehung dem stets gleichen Anlass: Seit den 1730er Jahren veranstaltete der Komponist regelmäßig in der Fastenzeit eine Konzertreihe in London, für die er pro Saison ein bis zwei neue Oratorien komponierte. Um einen zusätzlichen Anreiz für potentielle Konzertbesucher zu schaffen, dirigierte Händel während der Aufführungen seiner meist dreiteiligen Oratorien – vermutlich jeweils in der Pause zwischen dem zweiten und dritten Abschnitt – ein neues Orchesterstück.

So entstanden im Laufe der Jahre Händels Orgelkonzerte op. 4 und op. 7 sowie die zwölf Concerti grossi op. 6, welche nach und nach entsprechende Verwendung fanden. Doch Ende der 1740er Jahre änderte sich vorübergehend die musikalische Faktur dieser erstklassigen orchestralen »Pausenfüller«, was vermutlich mit äußeren, tagespolitischen Umständen zusammenhing: 1745/46 versetzte der Jakobitenaufstand unter Bonnie Prince Charlie England und sein Königshaus in Aufruhr. Als Zeichen seiner Loyalität und moralischer Unterstützung schrieb Händel in aller Eile sein patriotisch gefärbtes »Occasional Oratorio«, zu dessen Premiere im Februar 1746 er wiederum eine dem besonderen Anlass angemessene neue »Zwischenaktmusik« benötigte. Händel verwendete für dieses D-Dur-Concerto HWV 335a daher das gleiche »militärische« Instrumentarium wie für das oratorische Hauptwerk des Abends, darunter zwei Trompeten, vier Hörner und Pauken.

Schon kurze Zeit später unterzog Händel sein Concerto HWV 335a einer Umarbeitung. Für diese heute als HWV 335b bekannte Fassung nahm er vor allem an der Instrumentierung des Stückes Veränderungen vor. Im Zuge dieser Revision kam Händel dabei wohl auf die Idee, zwei gleich große »Instrumentalchöre« als Teilgruppen des Orchesters einander gegenüber zu stellen. Eine solche Praxis mehrchörigen Musizierens existierte in Venedig bereits seit dem 16. Jahrhundert, und Händel muss seit seinem Italien-Aufenthalt (1706–10) mit ihr vertraut gewesen sein. In den drei Concerti HWV 332-334, die er für die folgende Oratoriensaison 1747/48 komponierte, entwickelte Händel die Idee weiter und schöpfte dabei die interessanten Möglichkeiten erst richtig konsequent aus, die das mehrchörige Prinzip bietet – zumal in Verbindung mit dem reichhaltigen Instrumentarium, das er aus dem D-Dur-Concerto HWV 335 des Vorjahres für seine neuen Werke übernahm.

Die gängige Bezeichnung dieser fünf Händel’schen Orchesterstücke aus den Jahren 1746–48 als »Concerti a due cori«, also Konzerte für zwei (Instrumental-)Chöre, stammt übrigens nicht von Händel selbst, sondern vom Musikwissenschaftler Friedrich Chrysander, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die erste Gesamtausgabe von Händels Werken editorisch betreute. Das auf dem Programm des heutigen Abends stehende Concerto a due cori F-Dur HWV 334 entstand mit ziemlicher Gewissheit für die Uraufführung des Oratoriums »Judas Maccabaeus« am 1. April 1747 am Covent Garden Theatre London. Es beginnt mit einer Ouverture, in der das volle Orchestertutti die kriegerische Geste des Oratoriums aufzugreifen scheint.

Die folgenden fünf, kontrastreich gestalteten Sätze dieser suitenartig angelegten Komposition von geradezu sinfonischer Dimension verzichten weitgehend auf kontrapunktische Künste. Stattdessen scheint sich Händel auf innovative Art für das Arbeiten mit Klangflächen interessiert zu haben und maß dabei auch dem Klangcharakter einzelner Instrumente eine über das bis dahin übliche Maß hinausgehende Rolle zu. Durch die orgelartige Schichtung einzelner »Registerfamilien« evozierte er neuartige Klangverbindungen, wobei Blechbläser, Holzbläser und teils auch die Streicher einander eigenständig gegenübertreten. Weit in das späte 18. Jahrhundert voraus weist auch die ausgesprochene Finalwirkung des (unüberhörbar aus einer Jagdarie seiner eigenen Oper »Partenope« hervorgegangenen) Schluss-Allegros.

Beim F-Dur-Concerto a due cori mit seinem Rückgriff auf die altehrwürdige mehrchörige Kompositionstechnik der Renaissance sowie motivischen Entlehnungen aus älteren Werken von Reinhard Keiser, Georg Philipp Telemann und Händel selbst haben wir es also mit einem auf faszinierende Weise zugleich rückwärts- und vorwärtsgewandten Stück zu tun, das gleichwohl nach wie vor allgemein viel zu wenig bekannt ist.

Giuseppe Sammartini (1695–1750)
Concerto F-Dur für Blockflöte, Streicher und B.c.

DER KOMPONIST

Giuseppe Sammartini, geboren 1695 in Mailand und 1750 in London gestorben, war ein italienischer Komponist, der aber vor allem als einer der bedeutendsten Oboenvirtuosen seiner Zeit gerühmt wurde. Er war der Sohn des aus Frankreich stammenden Oboisten Alexis Saint-Martin, von dem er gewiss auch das Oboenspiel erlernte. 1717 ist seine Mitwirkung in einem Mailänder Orchester belegt – zusammen mit seinem jüngeren Bruder Giovanni Battista Sammartini, dessen Nachruhm denjenigen Giuseppes durch seine musikgeschichtlich relevante Rolle bei der Herausbildung der klassischen Sinfonie letztlich übertreffen sollte. Giuseppe Sammartinis Wirkungskreis blieb bis 1728 seine Geburtsstadt Mailand, bevor er über Brüssel nach London reiste. Dort boten sich zu jener Zeit erstklassigen italienischen Opernsängern, Instrumentalvirtuosen und Komponisten beste Wirkungsmöglichkeiten, und so ließ sich auch Giuseppe Sammartini dauerhaft in der britischen Hauptstadt nieder. Er trat als Solist wie auch als Orchestermusiker in Erscheinung (mehrfach auch unter Händels Leitung), daneben machte er sich auch als Komponist einen Namen. Von 1736 bis zu seinem Tod bekleidete Sammartini die prestigeträchtige Stelle als Musiklehrer der Familie von Friedrich Ludwig, Prince of Wales, dem ältesten Sohn von König Georg II.

Sein Rang als Komponist beruhte vor allem auf seinem umfangreichen kammermusikalischen Œuvre, darunter 24 Flöten- und 30 Triosonaten, die gedruckt erschienen. Sammartinis Orchesterwerke wurden hingegen zu seinen Lebzeiten nur zu einem geringen Teil publiziert, so dass sie erst posthum rezipiert wurden; dafür blieben sie dann aber noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein im Konzertleben seiner englischen Wahlheimat präsent. Sammartinis Musik baut dabei auf den Errungenschaften der barocken italienischen Instrumentalmusik (Corelli, Vivaldi) auf, zeigt aber auch Händels Einfluss. Auf der anderen Seite greifen seine Werke bereits vielfach Elemente des aufkommenden »galanten« Stils der Frühklassik auf.

DAS WERK

Nach wie vor ist nur sehr wenig über Kindheit und Jugend Giuseppe Sammartinis bekannt. So wissen wir beispielsweise auch nicht, wann und durch wen er in der Kunst des Komponierens unterwiesen wurde. Doch auch wenn der Weg Sammartinis zur kompositorischen Meisterschaft vorerst im Dunkeln der Musikgeschichte verbleibt: Dass er ihn erfolgreich beschritt, ist eine gut dokumentierte Tatsache. Die beiden berühmtesten englischen Musikhistoriker des 18. Jahrhunderts waren jedenfalls voll des Lobes für ihren 1695 in Mailand geborenen und seit 1729 in Großbritannien lebenden Zeitgenossen: Während Charles Burney die Kompositionen Sammartinis als »voller Wissenschaft, Originalität und Feuer« lobte, hob sein Kollege John Hawkins den Italiener gar auf eine Stufe mit solch anerkannten Größen wie Corelli und Geminiani.

Neben seinem herausragenden Talent als Oboist muss Giuseppe Sammartini offenbar auch schon früh als Komponist auf sich aufmerksam gemacht haben. Anders ist es kaum zu erklären, dass er bereits im Alter von 22 Jahren ein Oboenkonzert in einem Sammeldruck publizieren konnte, der auch Werke von so renommierten Kollegen wie Albinoni, Vivaldi, Veracini und Marcello enthielt und in Amsterdam, dem damaligen Zentrum des Musikverlagswesens, erschien. In der Folgezeit konzentrierte er sich fast ausschließlich auf die Instrumentalmusik, war auf diesem Gebiet dafür aber umso erfolgreicher.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Oboenvirtuose Sammartini neben seinem eigenen Instrument auch die Blockflöte auf hohem Niveau beherrschte, ebenso wie die Traversflöte – jenen gerade damals in Mode kommenden Vorläufer der modernen Querflöte, welche die in England bis dahin so beliebte Blockflöte ab etwa 1730 rasch verdrängen sollte. Soweit sich sein Œuvre heute überblicken lässt, hat Giuseppe Sammartini sogar wesentlich mehr Werke für Flöteninstrumente geschrieben als für die Oboe – vermutlich auch, weil der Bedarf an Flötenwerken (und damit ihr Marktpotential) wesentlich größer war als an Kompositionen für die vorwiegend von wenigen Berufsmusikern gespielten Oboe.

Das Blockflötenkonzert F-Dur gilt als Giuseppe Sammartinis heutzutage bekanntestes Werk. Überliefert ist es in einer einzigen handschriftlichen Quelle in einer Stockholmer Bibliothek. Über die Entstehung, die Erstaufführung und die zeitgenössische Rezeption des Stückes wissen wir so gut wie nichts. Vermutlich schrieb es der Komponist zum eigenen Gebrauch, für einen Konzertauftritt in London in den 1730er Jahren. Im Gegensatz zum anderen Blockflötenkonzert des heutigen Programms, Vivaldis RV 443, ist immerhin unstrittig, dass Sammartinis F-Dur-Konzert für eine Sopranblockflöte komponiert wurde, die inzwischen seit einem Jahrhundert ihre Renaissance als »Anfängerflöte« im Musikunterricht feiert. In England bezeichnete man sie als fifth flute, weil sie um eine Quinte (»fifth«) höher gestimmt war als das Standard-Instrument auf den britischen Inseln, die Alt-Blockflöte.

In seinem F-Dur-Konzert zeigt sich Sammartini als ein fantasievoller Komponist mit einem ausgeprägten Interesse daran, den Dialog zwischen dem Solisten und dem begleitenden Streichorchester einfallsreich zu gestalten. Formal wahrt das Stück dabei die Grenzen von Vivaldis Modell des dreisätzigen spätbarocken Concertos, manche »galante« Wendungen in der Melodik wie auch weitere Merkmale zeugen jedoch zugleich schon vom allmählichen Wandel des Geschmacks hin zum »empfindsamen« Stil der Vorklassik.

Das Werk beginnt mit einem Allegro, das geprägt ist von der abwechslungsreichen Rhythmik der Solo-Stimme über einer statischen Basslinie sowie einem besonderen Kennzeichen von Sammartinis Musiksprache: der Chromatik, also einer speziellen Art der Stimmführung mit mehreren Halbtonschritten unmittelbar hintereinander. Breite melodische Bögen mit reichen Verzierungen charakterisieren den ohne Tempoangabe überlieferten zweiten Satz im punktiert wiegenden 12/8-Takt des »Sicilianos«. Ausgesprochen virtuos gibt sich der Schlusssatz (Allegro assai) mit seinen halsbrecherischen Triolenketten und den vielfach mit Trillern durchsetzten Sprungkombinationen. Dieses Finale streift sehr schnell jede rhythmische Glätte ab und zeigt diesbezüglich ein noch differenzierteres Bild als der erste Satz, auf den auch Sammartinis ungewöhnlich häufiger Einsatz von chromatischen Stimmverläufen zurückverweist.

Antonio Vivaldi (1678–1741)
Concerto C-Dur für Flautino, Streicher und B.c. RV 443

DER KOMPONIST

Antonio Vivaldi, geboren 1678 in Venedig und 1741 in Wien gestorben, gilt heute als der bekannteste aller italienischen Barockkomponisten – ja, als einer der populärsten Komponisten überhaupt. Anders als Johann Sebastian Bach, dessen Werke wenigstens teilweise in Fachkreisen weitergegeben wurden, geriet jedoch der nur wenig ältere Vivaldi mit seinem umfangriechen Œuvre schon kurz nach seinem Tod gänzlich in Vergessenheit. Erst im Zuge der großen Bach-Renaissance in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte allmählich auch seine Wiederentdeckung ein, nachdem man unter den Werken des Thomaskantors einige Bearbeitungen Vivaldi’scher Konzerte gefunden hatte. Sein Spitzname »Il prete rosso« (der rote Priester) war zu Vivaldis Lebzeiten dabei in seiner Heimat fast bekannter als sein wirklicher Name. Denn der rothaarige Vivaldi wurde 1703 zum Priester geweiht, im selben Jahr, in dem er auch seine langjährige Tätigkeit als Kapellmeister und Instrumentallehrer am Ospedale della Pietà aufnahm – jener venezianischen Erziehungsanstalt für elternlose und unehelich geborene Mädchen, die eine weit über die Grenzen Italiens hinaus Beachtung und Bewunderung findende musikpädagogische Arbeit leistete.

Daneben war Vivaldi für einige Zeit auch Impresario des Teatro Sant’Angelo in seiner Heimatstadt. Zu seinen Wirkungsstätten zählten außerdem später Mantua, Wien und Prag. Trotz seiner höchst weltlichen Tätigkeiten, die ihn zeitweise auch in Konflikt mit der Kirche brachten, hielt Vivaldi zeitlebens an seiner strengen Religiosität fest. Unter seinen rund 770 überlieferten Werken finden sich neben zahlreichen Opern, geistlichen Vokalwerken und Kammermusik hauptsächlich Konzerte: Fast 500 Solo-, Doppel-, Gruppen- und reine Streicherkonzerte sind von ihm erhalten. Mit diesem umfangreichen Schaffen hat Vivaldi, der auch als Geigenvirtuose weithin bewundert worden war, der barocken Konzertform innerhalb der europäischen Musikgeschichte zum Durchbruch verholfen. So geht letztlich auch der klassische dreisätzige Konzerttypus mit seinen schnellen Ecksätzen und einem langsamen Mittelsatz auf das prägende Modell des Vivaldi’schen Concertos zurück.

DAS WERK

Antonio Vivaldi brachte mehr zu Papier als fast alle seiner Kollegen vor und nach ihm: Sein Werkverzeichnis umfasst über 800 nachgewiesene Kompositionen (die verlorengegangenen mit einberechnet). Seine Musik zeichnet dabei aber zugleich offenbar etwas aus, das ein breites Publikum anzusprechen vermag – auch solche Menschen, die mit klassischer Musik sonst nur am Rande in Berührung kommen. Das legt jedenfalls die anhaltende Popularität nahe, die Vivaldis Werke seit ihrer allmählichen Wiederentdeckung zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei Musikern und Zuhörern genießen. Dabei sind die Opern und kirchenmusikalischen Werke des Venezianers – zumal außerhalb Italiens – bis heute nahezu gänzlich unbeachtet geblieben; lediglich seine Instrumentalkonzerte sowie die Trio- und Solosonaten (die allerdings auch den weit überwiegenden Teil seines Œuvres bilden) sorgen letztlich für dieses große und nachhaltige Interesse.

Der komponierende Geigenvirtuose, Instrumentalpädagoge und Opernimpresario Antonio Vivaldi war mit seinen insgesamt fast 500 konzertanten Werken maßgeblich an der Entwicklung der Gattung »Concerto« beteiligt. Schon zu Beginn seiner Laufbahn schuf er bis etwa 1710 jenen dreisätzigen Typus mit zwei schnellen Ecksätzen und einem langsamen Mittelsatz, der für die nächsten Jahrzehnte in fast ganz Europa auf dem Gebiet des Komponierens von Instrumentalkonzerten Maßstäbe setzen sollte.

Michael Thomas Roeder fasste die Gründe für den außerordentlich wirkungsmächtigen Modell-Charakter des Vivaldi’schen Concertos so zusammen: »Die klaren und flexiblen Formen, die rhythmische und instrumentale Lebendigkeit der schnellen Sätze, der intensive lyrische Gehalt, die feine Instrumentierung der opernnahen langsamen Sätze, die Ausnutzung der motivischen Entwicklung, die Verwendung von Blasinstrumenten und eine Vorliebe für programmatische Inhalte trugen dazu bei, dass Vivaldis Konzerte zu den wichtigsten und einflussreichsten Kompositionen der späten Barockzeit wurden. Außerdem kommt die dramatische Spannung zwischen Solo und Tutti in den Konzerten dieses großen Venezianers voll zur Entfaltung.«

Zu den wichtigsten Normen, die Vivaldi auf dem Gebiet des Instrumentalkonzerts setzte, gehört die sogenannte »Ritornellform«, die durch ihn im Spätbarock zum Standard für die schnellen Ecksätze des nunmehr auch grundsätzlich dreisätzigen Concerto wurde. Darin wechseln sich Tutti- und Soloabschnitte ab, wobei dem vom ganzen Orchester gespielten refrainartigen Ritornell immer das gleiche musikalische Material zugrunde liegt. Dieses erklingt im weiteren Verlauf allerdings auf unterschiedlichen Tonstufen und teils in verkürzter Form (nur zu Beginn und am Schluss des Satzes vollständig und in der jeweiligen Grundtonart). Zwischen den zumeist vier oder fünf ritornelli eines solchen Konzertsatzes darf der Solist in kontrastierenden Episoden mit thematisch freiem Material glänzen, dabei in die neue Tonart modulierend, in welcher dann der nächste Tutti-Teil beginnt.

Dem langsamen Mittelsatz fiel im Rahmen der barocken Konzertform die Aufgabe zu, mit dem ersten und dem dritten Satz nicht nur durch sein Tempo, sondern auch mittels Taktart, Tonart, Form, Besetzung und der Art der Generalbass-Ausführung zu kontrastieren. Viele der – häufig nach dem einfachen Formschema »A-B-A« aufgebauten – Mittelsätze Vivaldis weisen Ähnlichkeiten mit langsamen Arien aus der zeitgenössischen Opera seria auf. Sie enthalten lange, kantable Melodiebögen für das Soloinstrument, das dabei nicht selten nur von den Generalbass-Instrumenten begleitet wird. Die Schlusssätze sind zwar ähnlich aufgebaut wie die Anfangssätze, haben im Vergleich aber einen wesentlich leichteren, deutlich spielerischeren, oft ausgesprochen tänzerischen Charakter. Sie stehen oft im Dreiermetrum und werden in sehr schnellem Tempo vorgetragen.

Neben zahlreichen Concerti für zwei oder mehr Instrumente in den unterschiedlichsten, teils außergewöhnlichen Kombinationen bilden die Solokonzerte den Hauptteil von Vivaldis Schaffen, wobei der weithin gerühmte Geigenvirtuose vor allem sein eigenes Instrument mit rund 230 Violinkonzerten bedachte. Daneben schrieb er aber auch solistische Werke für Viola d’amore, Violoncello, Mandoline, diverse Blockflöten-Instrumente, Traversflöte (dem direkten Vorläufer der modernen Querflöte), Oboe und Fagott.

Vergleichsweise eng folgt Vivaldi dem von ihm selbst so entscheidend geprägten Schema in seinem Flautino-Concerto C-Dur RV 443. Das Werk gehört zu den drei erhalten gebliebenen, im Jahre 1930 wiederentdeckten Konzerten Vivaldis für eine kleine, d.h. besonders hohe Blockflöte (flautino ist die Diminutivform von flauto, dem zeitgenössischen italienischen Begriff für Blockflöte). Es konnte bisher weder zweifelsfrei geklärt werden, für welchen Virtuosen Vivaldi diese technisch äußerst anspruchsvollen Werke komponierte, noch wann dies geschah. Sogar die Frage, welches Instrument genau er aus der weitverzweigten Blockflöten-Familie beim Schreiben im Sinn hatte – eine Sopran-Blockflöte oder das noch kleinere »Sopranino« –, wird in der Forschung mitunter kontrovers diskutiert.

Die Forderung nach extremer Virtuosität, die der Komponist in RV 443 und dessen beiden Schwesterwerken an den Solisten stellt – mit all den Arpeggien, gebrochenen Akkorden, großen Sprüngen, rasend schnellen Läufen und Figurationen sowie den beträchtlichen Herausforderungen in puncto Atemtechnik und Ausdauer –, scheint durch die recht kompromisslose Übernahme der Vivaldi so vertrauten Violintechnik auf die Blockflöte zustandegekommen zu sein.

Einen wirkungsvollen Kontrast zu den dynamischen Rahmensätzen bildet dabei im C-Dur-Concerto RV 443 das zentrale Largo in e-Moll: eine hochexpressive Musik im punktiert wiegenden 12/8-Takt des Siciliano-Rhythmus.

Adam Gellen