Emanuel Ax

Wolfgang Amadeus Mozart: Ouvertüre zu »Don Giovanni« / Klavierkonzert d-Moll

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Programm

EMANUEL AX | Klavier
DAVID AFKHAM | Dirigent

Wolfgang Amadeus Mozart | Ouvertüre zur Oper »Don Giovanni« / Klavierkonzert d-Moll KV 466

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Im Opernhaus verlöscht das Licht, der Dirigent hebt den Taktstock, die Ouvertüre kündigt die Oper an. So wird es auch hier sein in diesem Konzert: Auf eine Mozart-Ouvertüre folgt aber keine Mozart-Oper, sondern ein Mozart-Klavierkonzert – das aber ganz genau so funktioniert wie eine Oper. Und zwar wie eine düstere, in der es um höllische Kreaturen geht und um emotionale Abgründe. Zwar gibt es auch – es ist und bleibt ja schließlich ein Klavierkonzert – einen langsamen Mittelsatz, eine »Romanze«, die so sterbensschön ist wie nur Mozart sie erfinden konnte. Doch das Dunkel behält die Oberhand, die »Furien haben sich lediglich ermüdet, aber immer noch grollend, zur Ruhe gelegt, bereit, in jedem Augenblick wieder aufzufahren«, so wurde es einmal bildhaft beschrieben. Große Oper also, ein Bühnen-Drama für Klavier und Orchester.

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
Ouvertüre zur Oper »Don Giovanni« (1787)

DER KOMPONIST

Wolfgang Amadeus Mozart, geboren 1756 in Salzburg, gestorben 1791 in Wien, scheint über jede Kritik erhaben. In der unnachahmlichen Balance aus Inspiration, Formgefühl und emotionalem Gehalt steht seine Musik einzig da in der Musikgeschichte. Bereits als Vierjähriger begann Mozart mit Klavierspiel und Komponieren und wurde vom Vater für eine Wunderkind-Karriere vorbereitet. Im Jahre 1762 unternahmen die beiden die ersten Kunstreisen, 1763 bis 1766 die erste große Fahrt durch Deutschland, Frankreich, England, Holland, Belgien und die Schweiz. Von 1769 an war Mozart Konzertmeister der fürstbischöflichen Kapelle in Salzburg. Die 1770er Jahre sahen ihn immer wieder auch auf Reisen. Schließlich litt Mozart unter der Enge des Salzburger Hofes, er riskierte den Bruch mit dem Erzbischof und übersiedelte 1781 als freier Komponist nach Wien, wo bis zu seinem Tode eine lange Reihe von Meisterwerken entstand.

Die vielen Reisen, die Mozarts Leben wie ein Pulsschlag durchzogen, haben dabei auch sein musikalisches Schaffen rhythmisiert. Im Reagieren auf das mit Neugier Erfahrene und Erlebte gelingt es Mozart, die verschiedenen nationalen goûts sich persönlich anzueignen und letztlich in der Universalität der »Wiener Klassik« zu verschmelzen. Kennzeichnend für Mozarts außergewöhnliches kompositorisches Schaffen erscheinen dabei nicht so sehr neue, revolutionäre Formungen wie bei Beethoven oder eine experimentelle Komponierhaltung wie bei Haydn, sondern der musikalische Ausgleich der Gegensätze. Mozart hinterließ eine kaum übersehbare Fülle von Werken aller Gattungen und Formbereiche – das Köchel-Werkverzeichnis nennt mehr als 600 Nummern.

DAS WERK

Die Ouvertüre zu Don Giovanni beginnt so, wie man sich den Beginn eines spannenden Musikdramas vorstellt: Mit wuchtigen Schlägen im gesamten Orchester, die nichts Gutes verheißen. Mozart verwendete dieses Motiv später im Finale der Oper, um die Ankunft der Statue des zu Beginn ermordeten Komturs anzukündigen, die Don Giovanni schließlich in die Hölle schickt.

In düsterem d-Moll beginnt also diese Oper, eigentlich ungewöhnlich für eine Opera buffa. Mit seiner Wahl knüpft Mozart an einige eigene Werke an, die die gleiche schicksalsschwere Stimmung transportieren: So stehen auch etwa die berühmte Koloraturarie »Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen« der Königin der Nacht aus der Zauberflöte, das Requiem KV 626 sowie das Klavierkonzert KV 466, das am heutigen Abend im Anschluss an die »Don Giovanni«-Ouvertüre erklingt, in d-Moll.

Bis in das 19. Jahrhundert hinein waren Stimmungssysteme üblich, bei denen die Abstände zwischen den einzelnen Halbtonschritten jeweils kleine Unterschiede aufwiesen, sodass die einzelnen Intervalle je nach Tonart unterschiedlich »rein« waren und dementsprechend einen anderen Klang hatten. Viel stärker als heutzutage stand daher jede Tonart für einen bestimmten Ausdruck von Affekten und Stimmungen, ihr wurden geradezu bestimmte Eigenschaften zugeschrieben. Christian Friedrich Daniel Schubart, ein Zeitgenosse Mozarts, formulierte es in seinem Werk »Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst« folgendermaßen: »So muß man bedenken, daß es Pflicht für jeden Componisten sey, den Charakter seiner Töne genau zu studieren, und nur die simpathetischen in seinen Lichtkreis aufzunehmen. […] So bald er einmahl einen der herrschenden Empfindung anpassenden Ton gewählt hat, so darf er nie in Töne ausgleiten, welche dieser Empfindung widersprechen.«

Mit der Wahl von d-Moll als vorherrschender Tonart war für das Publikum des ausgehenden 18. Jahrhunderts also klar: Es folgen Unheil und Dramatik, Verzweiflung und Vergeltung. So bezeichnete Mozart selbst seinen Don Giovanni zwar als Opera buffa, gleichzeitig integriert er aber auch ernste Elemente in sein Werk, etwa in Form von Charakteren wie Donna Elvira und Don Ottavio. Nichtsdestotrotz schließt die Oper mit einem lieto fine, also einem »Happy end«. Der Überlieferung nach plante Mozart zunächst, sie mit der Höllenfahrt Don Giovannis enden zu lassen, entschied sich dann aber doch dafür, ein Sextett der Hauptcharaktere anzuschließen, das in strahlendem D-Dur die Moral von der Geschicht‘ herausstellt: »Dies ist das Ende derer, die Böses tun, und der Tod der Hinterhältigen gleicht stets ihrem Leben.«

Phia-Charlotte Jensen

Klavierkonzert d-Moll KV 466 (1785)

DAS WERK

Wolfgang Amadeus Mozart schrieb zwischen Januar 1773 und Januar 1791 insgesamt 23 Klavierkonzerte. Innerhalb von 18 Jahren schuf er damit einen qualitativ wie quantitativ höchst bemerkenswerten Beitrag zu dieser damals noch jungen Gattung. Heute werden neben seinem Opernschaffen vielfach gerade Mozarts Klavierkonzerte – insbesondere die ab 1784 in Wien entstandenen letzten 14 Meisterwerke jener Reihe – als der absolute Gipfel seines an künstlerischen Höhepunkten wahrlich nicht armen Schaffens betrachtet.

Die Tatsache, dass sich Mozart nach seiner Übersiedlung von Salzburg nach Wien verstärkt dem Komponieren von Klavierkonzerten zuwandte, ist in erster Linie auf biografische Gründe zurückzuführen: Als freischaffender Künstler ohne die ersehnte feste Anstellung musste er seinen Lebensunterhalt neben seiner Lehrtätigkeit vorwiegend durch das Veranstalten eigener Konzerte finanzieren. Als einer der führenden Klaviervirtuosen seiner Zeit und als solcher in den Jahren 1784/85 auf dem Gipfel seiner Popularität in der österreichischen Hauptstadt lag es für ihn nahe, sich mit selbstkomponierten Klavierkonzerten gleichzeitig als Komponist und als Pianist dem stets nach Neuem verlangenden Wiener Publikum zu präsentieren.

Eines der wichtigsten Merkmale der »reifen« Wiener Klavierkonzerte Mozarts, das diese von seinen eigenen früheren Werken wie auch von den Kompositionen seiner Vorgänger und Zeitgenossen unterscheidet, betrifft das Verhältnis zwischen Solist und Orchester. Beide sind einander wie die Gestalten eines Dramas (oder einer Oper) klar gegenübergestellt und spielen in dem jeweiligen Stück die ihnen vom Komponisten zugedachte Rolle. Gleichzeitig schafft es aber Mozart durch zahlreiche integrative Momente, ein bloßes Aneinander-Vorbeispielen von virtuoser Solo-Stimme und Tutti zu vermeiden. Vielmehr nutzt der erfahrene Opernkomponist die durch die gegebene Grundaufstellung implizierten dramatischen Möglichkeiten, indem er beide Seiten immer wieder nicht nur agieren, sondern auch musikalisch aufeinander reagieren lässt. Dabei kommt den bis dahin nur wenig verwendeten Bläsern eine deutlich wichtigere Funktion zu: Mozart emanzipiert das erweiterte Bläserensemble (eine Flöte sowie je zwei Oboen oder Klarinetten, Fagotte, Hörner und Trompeten) von dessen einstiger Hauptaufgabe als ergänzende Klangfarbe zu einem neben den Streichern und dem Solisten nunmehr eigenständig an der Handlung mitwirkenden dritten Protagonisten.

Innerhalb dieser Entwicklung seiner kompositorischen Ideen und Strategien stellt Mozarts d-Moll-Klavierkonzert KV 466, das er am 10. Februar 1785 beendete und bereits am nächsten Tag in einem seiner Wiener Subskriptionskonzerte zum ersten Mal präsentierte, einen bedeutenden Markstein dar. Als das erste von nur zwei Mozart-Konzerten in einer Moll-Tonart überhaupt genießt KV 466 wie kein anderes konzertantes Werk des Komponisten eine bis heute ungebrochen hohe Wertschätzung. Die bedeutendsten Pianisten von Beethoven und Hummel über Mendelssohn, Clara Schumann, Brahms und Rubinstein bis hin zu Busoni hielten es im Laufe des 19. Jahrhunderts im Repertoire, die meisten der erwähnten Künstler komponierten gar eigene Kadenzen zum d-Moll-Konzert. Die Romantiker waren offenbar besonders von der düster-dramatischen Atmosphäre des Werkes angezogen, die Mozart auch später – etwa im Don Giovanni oder im Requiem – so wirkungsvoll mit Hilfe der Tonart d-Moll erzeugen sollte.

Erwartungsgemäß kommt der aufgewühlte Charakter der Musik primär in den beiden schnellen Rahmensätzen zum Tragen. Schon die ersten Takte des Allegro-Kopfsatzes mit den pulsierenden Synkopen, den brodelnden Bässen und dem wenig konturiert gestalteten ersten Thema in den hohen Streichern schaffen eine zunächst nur unterschwellige Unruhe, die sich schon bald zu einer von dramatischen Pauken-Blechbläser-Akkorden grundierten Erregtheit steigert. Auch das neue, lyrische Thema des Klaviers kann sich nicht entscheidend gegen die überschießende Dynamik des Satzes behaupten und löst sich schon sehr bald in schnelle Spielfiguren auf. Jenes improvisatorische Potenzial des Themas aus der Solo-Exposition macht sich Mozart dann in der folgenden, harmonisch weit ausholenden Durchführung zunutze. Zu den vielen Überraschungsmomenten dieses kleinteilig und komplex gegliederten, dennoch sehr geschlossen wirkenden Satzes gehört auch die Gestaltung des Satzabschlusses: Mozart lässt die bis dahin leidenschaftlich vorwärtstreibende Musik geradezu irritierend leise, wie eine offene Frage, mit drei Pianissimo-Akkorden verklingen. Eine »Lösung« des Konflikts findet hier noch nicht statt.

In eine entrückte Welt von naiver Einfachheit führt der zweite Satz. Im Gegensatz zum vorangegangenen Allegro werden in diesem schlicht als Romance betitelten B-Dur-Satz die Hörerwartungen nun weitgehend erfüllt: Ein natürlich-erzählender Gesang, eine ausgesprochen liedhafte Melodie mit schlichter Begleitung steigert sich im Verlaufe des Stückes in ihrem Affektausdruck, um anschließend wieder bogenförmig zur Stimmung des Anfangs zurückzukehren. Hier ist es der stark kontrastierende Mittelteil in g-Moll, der an die erregte Atmosphäre der ebenfalls in Moll stehenden beiden Außensätze anknüpft und so die einheitliche Konzeption des d-Moll-Konzerts unterstreicht.

Das Finale in Form eines Konzertrondos überrascht wiederum vom ersten Takt an mit seinem kraftvoll vorwärtsdrängenden Hauptthema in Moll. Es wird vom Solisten allein vorgestellt und hat nichts mit den unbeschwert-tänzerischen Dur-Melodien zu tun, die zu Mozarts Zeit an dieser Stelle üblicherweise verwendet wurden. Der Komponist entfaltet in diesem Allegro assai noch einmal eine bemerkenswerte Vielfalt an Themen, welche er immer wieder auf überraschende Weise miteinander verknüpft. Nach der Solo-Kadenz löst zu guter Letzt doch noch eine plötzliche Wendung nach D-Dur die lange aufgestaute Spannung, und die unverhofft eingetretene Heiterkeit wird durch die Einführung eines kurzen, geradezu die Welt der Opera buffa heraufbeschwörenden Motivs in Trompete und Horn abschließend noch einmal gesteigert.

Adam Gellen

Die Interpreten:

Emanuel Ax

wurde in Lwow (Lemberg) geboren, zog aber schon früh mit seiner Familie ins kanadische Winnipeg. Er studierte an der berühmten Juilliard School und gewann anschließend den Young Concert Artists Award. Zudem belegte er an der Columbia University Französisch. Aufsehen erregte er erstmals 1974, als er den ersten Arthur Rubinstein International Piano Competition in Tel Aviv gewann, ebenso wie 1979 den begehrten Avery Fisher Prize in New York.

Die Saison 2019/20 begann für Emanuel Ax mit einer Tournee mit den Wiener Philharmonikern unter Bernard Haitink, die Konzerte bei den »BBC Proms« in London, bei den Salzburger Festspielen und beim Lucerne Festival umfasste. Es schloss sich eine Asien-Reise mit dem London Symphony Orchestra unter Simon Rattle im September an. Zu den weiteren Höhepunkten der Spielzeit zählen Emanuel Ax’ Konzerte mit dem New York Philharmonic, dem San Francisco Symphony, dem Los Angeles Philharmonic und dem Philadelphia Orchestra sowie mehrere Auftritte in der New Yorker Carnegie Hall, u.a. mit seinen ständigen künstlerischen Partnern Leonidas Kavakos und Yo-Yo Ma. Außerdem ist er in den kommenden Wochen und Monaten im New Yorker Lincoln Center, im Symphony Center Chicago, im Amsterdamer Concertgebouw mit dem Rotterdam Philharmonic unter Lahav Shani, in der Berliner Philharmonie mit dem Deutschen Symphonie-Orchester unter Robin Ticciati, mit dem Tonhalle-Orchester in Zürich und dem Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom zu erleben.

Seit 1987 ist Emanuel Ax Exklusivkünstler von Sony Classical und erhielt für seine bemerkenswerten Einspielungen zahlreiche Preise, darunter mehrere »Grammy Awards« und 2013 einen »ECHO Klassik« für seine Aufnahme »Variations«.

Emanuel Ax setzt sich auch für die Musik zeitgenössischer Komponisten ein und hat dabei Werke u.a. von John Adams und Krzysztof Penderecki uraufgeführt. Er ist Mitglied der American Academy of Arts and Sciences und erhielt Ehrendoktorwürden für Musik u.a. von der Yale und der Columbia University.

David Afkham

ist seit 2014 Chefdirigent des Spanischen Nationalorchesters. In den vergangenen Jahren wurde er daneben zu vielen renommierten Orchestern eingeladen, so etwa zum Concertgebouw-Orchester Amsterdam, zum London Symphony Orchestra, zum Philharmonia Orchestra London, zum Orchestre National de France, zur Staatskapelle Dresden, zur Staatskapelle Berlin, zu den Wiener Symphonikern, dem Los Angeles Philharmonic, dem dem Boston Sympony Orchestra im Rahmen des Tanglewood Festivals sowie nach Cleveland, Houston und Seattle.

Das hr-Sinfonieorchester dirigiert David Afkham heute zum dritten Mal, daneben kehrt er in dieser Spielzeit u.a. zum Chicago Symphony Orchestra, zu den Münchner Philharmonikern, zum Philadelphia Orchestra, zum Schwedischen Radio-Sinfonieorchester, zum Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia und zum NHK Symphony Orchestra Tokyo zurück. Er steht zudem erstmals am Pult des Pittsburgh Symphony, des Minnesota Orchestra und der Dresdner Philharmonie.

2014 gab David Afkham sein viel beachtetes Debüt als Operndirigent mit Verdis La traviata beim Glyndebourne Festival. Seitdem leitete er Inszenierungen am Teatro Real Madrid (Alberto Ginasteras Bomarzo), in Frankfurt (Hänsel und Gretel), Stuttgart (Der fliegende Holländer) und am Theater an der Wien (Rusalka). Seine künftigen Pläne im Bereich der Oper umfassen Wagners Parsifal, Weinbergs Die Passagierin, Mozarts Così fan tutte und Strauss’ Arabella.

1983 in Freiburg geboren, wurde David Afkham im Alter von 15 Jahren Jungstudent in den Fächern Klavier, Musiktheorie und Dirigieren an der Musikhochschule seiner Heimatstadt und schloss sein Dirigierstudium an der Musikhochschule Weimar ab. David Afkham war der erste Stipendiat des »Bernard Haitink Fund for Young Talent« und assistierte seinem Mentor Bernard Haitink bei zahlreichen Projekten. 2008 gewann er den Londoner Donatella-Flick-Dirigierwettbewerb und erhielt 2010 als erster Preisträger überhaupt den »Nestlé and Salzburg Festival Young Conductors Award.« 2009–2012 war David Afkham Assistenzdirigent des Gustav Mahler Jugendorchesters.