Miguel Angel Zermeño tanzt

Er stammt aus Mexiko und ist Tänzer, Choreograph und Regisseur: Miguel Angel Zermeño bringt in Frankfurt mit über hundert Laien ein besonderes Stück zur Aufführung: "Die Arche Noah" - ein inklusives Tanzprojekt der Lorenz-Stiftung in Kooperation mit dem hr-Sinfonieorchester.

Das erste, was an Miguel Angel Zermeño auffällt, ist sein offenes, gewinnendes Lächeln. Sein langes, lockiges Haar. Dazu kommt die Selbstverständlichkeit, mit der auf er Menschen zugeht. Egal, welche Art von Menschen. Denn seit geraumer Zeit hat sich der Tanzpädagoge auf Projekte spezialisiert, in denen er Menschen mit und ohne Behinderung, Schüler und Erwachsene in Tanzprojekten gemeinsam auf die Bühne bringt.

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Die Arche Noah - Tanzprojekt der Inklusion
Mi 22.05.19 19:30 Uhr
hr-Sendesaal
Bertramstraße 8
60320 Frankfurt am Main

Mehr dazu auf der Seite der Lorenz-Stiftung "Gemeinsam die Welt bewegen..."

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"Was wir bei dem Arche-Projekt machen, ist eine Fusion. Wir bringen Menschen zusammen, die ein gleiches Ziel haben, auch Spaß dabei haben, aber auch das Ziel, Grenzen zwischen den Menschen zu brechen. Das hat etwas zu tun mit Integration, Inklusion, Fusion", sagt er.

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Miguel Angel Zermeño im Interview

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Für ihn sei es kein Problem, sich auf die unterschiedlichen Menschen einzustellen: "Ich komme aus der Künstlerecke. Ich gehe natürlich mit allen um, auf der gleichen Ebene. Da gibt es keine Begrenzung, da gibt es keinen Unterschied. Wir alle haben irgendwelche 'komische' Sachen, jeder Mensch, und das bestimmt eben die Art und Weise, wie ich arbeite."

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Angefangen hat Miguel Angel Zermeños facettenreiche Karriere in Mexiko. Mit einem staatlichen Stipendium ausgestattet, absolvierte er eine Ausbildung zum Tänzer und gewann 1986 den nationalen Preis für den besten Nachwuchstänzer Mexikos. Nach vier Jahren im mexikanischen Nationalballett folgten Engagements in Hongkong, Japan, Zürich, Bonn und Köln. Bald hatte er seine eigene Compagnie und arbeitete als Choreograph für namhafte Regisseure wie etwa Werner Schroeter. Heute steht sein Name für engagierte Projekte mit Laien. Er lebt mit seiner Familie in Bonn.

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Oft kommen Folgeprojekte mit denselben Laiendarstellern zustande. Da sieht Zermeño die Früchte seines Engagements: "In den letzten zehn Jahren habe ich vielleicht mit 2500 jungen Menschen gearbeitet, und manchmal treffe ich sie wieder. Sie haben immer eine gute Erinnerung an diese Projekte. Es bleibt etwas, das Selbstbewusstsein hat sich verstärkt oder auch körperlich hat sich etwas verändert: eine Haltung, eine Präsenz, eine Sicherheit und natürlich die Erfahrung mit Kunst."

Spaß mit "Downies" und "Rollis"

Probe in der EVIM Schlocker-Stiftung in Hattersheim. Menschen mit Down-Syndrom oder auch Rollstuhlfahrer verdienen in dieser Behinderteneinrichtung mit sinnvollen Beschäftigungen ihren Lebensunterhalt. Zu Beginn der Probe herrscht ein lautes Stimmengewirr. Die Gesichter glühen vor Begeisterung – Tanzen ist eine willkommene Abwechslung zum Alltag.

Menschen tanzen mit Regenschirmen

Zermeño schaltet den CD-Rekorder an. Zu sanfter Musik gibt es Atem- und Lockerungsübungen: Arme im Takt hoch und runter, dann mal beugen, dann kommen die Beine dran - eins, zwei, drei, vier. Zermeño macht alles vor, ruhig und routiniert. Dann packt der Choreograph Regenschirme aus. Die Hattersheimer sollen den sintflutartigen Regen darstellen. Da schallt immer wieder ein kräftiges Lachen durch den Raum. Zermeño macht mit, für Spaß ist er immer zu haben.

Einmal quer durch die Tierwelt

Ganz anders ist die Arbeit mit den 10- bis 12-jährigen Schülern der Frankfurter Weißfrauenschule, einer Förderschule. Es dauert, bis da Ruhe und Konzentration einkehren. Es ist harte Arbeit, die Jungs und Mädels für disziplinierte Bewegungen zu gewinnen. Und nicht jedes Kind will mitmachen, schämt sich zu tanzen oder findet alles nur doof. Dann nimmt sich Zermeño Zeit und redet mit dem Kind, ermuntert. Er tröstet auch den kleinen Jungen, der unbedingt tanzen will, dem aber eine Warze am Fuß große Schmerzen bereitet.

Schüler trommen sich wie Gorillas auf die Brust

Zum Schluss ist die wilde Bande genauso ausgepowert und schweißgebadet wie Zermeño. Doch Spaß hat es letztendlich allen gemacht. Den Schülern gefällt, dass sie Tiere darstellen sollen: Elefanten, Pinguine, Kängurus und – ganz beliebt: Gorillas. Die halt, die sich mit der Faust auf die Brust schlagen.

Ein Stück mit Botschaft

Seit August 2018 fährt Zermeño alle 14 Tage nach Frankfurt, Hattersheim und Wiesbaden, um für das Inklusions-Tanzprojekt "Die Arche Noah" zu proben, Bewegungen, Schritte und Abläufe einzustudieren. Über 100 Akteure werden bei der Aufführung im Mai 2019 auf der Bühne im hr-Sendesaal stehen: Schüler aus drei Frankfurter Schulen, behinderte Menschen aus den beiden Einrichtungen des "Evangelischen Vereins für Innere Mission in Nassau (EVIM)" in Hattersheim und Wiesbaden, eine Flamenco-Gruppe, Frankfurter Streetdancerinnen. Sogar der Gebärdenchor Lukas 14 ist mit dabei. Die schwerhörigen oder taubstummen Mitglieder übersetzen das "Arche-Lied" in Gebärdensprache.

"Ich will als Regisseur ein Stück machen, das Emotionen bewirkt, das eine Botschaft bringt, das poetische Bilder kreiert und das viel Bewegung bringt, und zwar durch die Musik, durch die Dramaturgie, durch die sich die Handlung ergibt", erklärt Zermeño sein Konzept.

Die Aktualität einer Bibelgeschichte

Das Libretto für das Stück stammt von Juri Tetzlaff, im Hauptberuf TV-Moderator beim KiKa. Er hat dem biblischen Stoff eine hochaktuelle Version abgewonnen. Thema sind Krieg, Terrorismus, Umweltverschmutzung, Klimawandel. Tetzlaff moderiert auch die Veranstaltung.

Porträt

"Unsere Welt ist heute in Unordnung geraten. Sehr. Es ist ja nicht nur das Thema Flüchtlinge, Migration und Integration. Es ist die Umweltverschmutzung, die Staatsverschuldung, es ist der Klimawandel. Sie können hinblicken, wo Sie wollen. Welches Symbol würde sich da als Zeichen der Hoffnung besser eignen als das Thema Arche Noah", erklärt Heinz-Jürgen Lorenz das Projekt. Er ist der Motor des Ganzen, oder, wie er sagt, der Kapitän der Arche.

Der Frankfurter Unternehmer rief 1991 die Lorenz-Stiftung ins Leben, die das Tanzprojekt durchführt. Die Idee dazu hatte er, als er den Film über das Tanzprojekt "Rhythm is it" von Sir Simon Rattle sah. Doch ihm fehlte dabei etwas: die Menschen mit Behinderung. Die "Arche" ist das zweite Projekt dieser Art; vor drei Jahren führten über 200 Menschen aus dem Rhein-Main-Gebiet Haydns "Schöpfung" auf, schon damals mit Zermeño und Tetzlaff an Bord.

"Champions League" mit dem hr-Sinfonieorchester

Zu seinem eigenen großen Erstaunen ist es Lorenz dieses Mal gelungen, das hr-Sinfonieorchester für das Projekt zu begeistern. "Das hr-Sinfonieorchester, das ist Champions League", schwärmt er. Und so kommen neben den vielen Tänzern und Darstellern noch die Musiker des Hessischen Rundfunks auf die Bühne. Sie übernehmen den Anteil der klassischen Musik, wie etwa, passend zum Stück, den "Karneval der Tiere" von Camille Saint-Saëns.

Sängerin und taubstumme Menschen

Daneben gibt es Hiphop, Flamenco, mexikanische Folklore. Und das Arche-Lied, das die Sängerin Laura Suad geschrieben und komponiert hat. Sie wird es zusammen mit dem Frankfurter Gebärdenchor Lukas 14 dem Publikum vorstellen. Mitsingen und mitmachen sind dann erwünscht!

"Sie können sich auf wunderbare Dinge freuen", verrät Michael Traub, hr-Musikchef und Orchestermanager, "auf das, was das hr-Sinfonieorchester am besten kann, auf sinfonische Musik vom Feinsten. Aber im Mittelpunkt stehen all diese Tänzer, die speziell etwas für diesen Abend einstudiert haben." Das Besondere an diesem Projekt sei das Miteinander, sagt er: "Das Miteinander verschiedener Künste, das Miteinander verschiedener Menschen, das ja ein Ausschnitt unserer Gesellschaft ist."

Ein Projekt also, in dem alles "fusioniert" - die unterschiedlichen Menschen, die unterschiedlichen Musikstile, die unterschiedlichen Talente.
"Gemeinsam die Welt bewegen..." lautet dementsprechend der Untertitel des Projekts.