Thierry Escaich

Spiel der Reminiszenzen, Spiel der Formen und Farben

Ist er Komponist, Organist und Improvisator? Oder Organist, Improvisator und Komponist? Die Reihenfolge, sie ist vollkommen egal. »Alles bedingt sich gegenseitig«, sagt Thierry Escaich, »das eine geht nicht ohne die beiden anderen«. Escaich zählt zu den wichtigsten zeitgenössischen Musikern Frankreichs, und da steht er ganz fest in der Tradition seines Landes. Die Linie von César Franck über Gabriel Fauré bis Louis Vierne setzt sich mit ihm fort. Oder ist er mit seinem Dreiklang aus Orgelspiel, Improvisation und Komposition gar der Olivier Messiaen unserer Tage? Dafür ist Escaich zu erdverbunden. Eher kann man ihn als Nachfolger von Maurice Duruflé ansehen – nicht zuletzt natürlich, weil Escaich seit 1997 Titularorganist an der Kirche von Saint-Étienne-du-Mont in Paris ist, wo viele Jahrzehnte lang Duruflé an der Orgelbank gesessen hat.

Große Schuhe sind das, aber Thierry Escaich füllt sie selbstbewusst und mit sicherem Blick nach vorne wie zurück aus. Denn er kann stilversiert auf die komplette abendländische Musikhistorie zurückgreifen, auf den lutherischen Choral, auf Tonalität, Polytonalität und Modalität, auf den Klangfarbenreichtum des französischen 19. Jahrhunderts. Er sei »eines der faszinierendsten Chamäleons seiner Generation: um das zu glauben, muss man Thierry Escaich live improvisieren hören, in jeder Form und in allen Stilen, die man sich vorstellen kann«, so die Zeitschrift Diapason.

Kein Wunder, dass gerne auch etwas Altes mitklingt in Escaichs Kompositionen, die in dieser Saison mit dem hr-Sinfonierochester vielfach kennenzulernen sind, schließlich ist der Franzose »Composer in Residence« der Spielzeit 2024/25. In Frankfurt wird man u.a. Escaichs 2023 entstandenes Cellokonzert Les chants de l’aube erleben können, um das ihn der Cellist Gautier Capuçon gebeten hatte, aber auch ein neues Konzert für Bigband und Orchester, das als Auftragswerk des hr in der Alten Oper uraufgeführt wird.

Von der Pariser Orgelbank zur Bigband? Escaichs erste Klangwelt war die des Akkordeons, es war das Instrument seiner Kindheit. »Es war nicht klassische Musik, die ich zunächst hörte und spielte, sondern Varieté-Musik und Tango. Ich spielte Piazzolla, sogar Disco auf dem Instrument. Da kommt der Groove her. Ich liebe den Groove!«

Und er liebt die dunkle Seite der Musik, die romantische, intensiv erlebbare. Da kein Escaich-Porträt komplett wäre ohne ihn als Improvisator, wird Escaich zudem auch zu Gast sein in einem Kammermusik-Programm und über ein Thema von Robert Schumann improvisieren. Was auch den Kreis wieder schließt zu seinem Cellokonzert: »Was Schumann betrifft, so denke ich, dass der Titel des Werkes Les chants de l’aube (Lieder der Morgenröte) tatsächlich auf Schumanns Romantik verweist. Diese besondere Romantik, die manchmal ein wenig dämmrig wirkt, findet sich im ersten Satz dieses Konzerts wieder.«

Schließlich reisen das hr-Sinfonieorchester und Alain Altinoglu im Frühsommer 2025 auch noch zu einem gemeinsamen Konzertprojekt nach Frankreich, um in der Hauptstadt Thierry Escaichs neues Te Deum uraufzuführen – und zwar in der berühmten wiedereröffneten Kathedrale von Notre-Dame de Paris.

Weitere Informationen

Konzerte

Do/Fr 13./14.03.2025
Gershwin

So 16.03.2025
Trio-Gipfel mit Escaich

Do/Fr 05./06.06.2025
Dvořák 9

Do 12.06.2025
Notre-Dame de Paris

Do 03.07.2025
Festival International de Colmar

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