Schwerpunkt Armenian Soul
Ein besonderer Schwerpunkt in der Saison 2025/26 des hr-Sinfonieorchesters. Eine Konzertwoche mit Alain Altinoglu und dem Geiger Sergey Khachatryan, in der beide ihren armenischen Wurzeln nachgehen. Auch Kammermusik aus Armenien findet dabei ihren Weg in die Alte Oper und den hr-Sendesaal.
Alain Altinoglu & Sergey Khachatryan
Der »Säbeltanz«, natürlich. Alleine diese zweieinhalb höchst temporeichen Minuten dürfte der klassische Konzertgänger mit dem Komponisten Aram Chatschaturjan verbinden. Und Chatschaturjan seinerseits verbindet man wiederum mit Armenien, schließlich ist der 1903 in Tiflis, dem heutigen Tbilissi, geborene Komponist der einzige Armenier, der hin und wieder auf den internationalen Konzertprogrammen auftaucht.
»Es gibt viele Stücke von Chatschaturjan, in denen man den Einfluss der armenischen Volksmusik spürt«, sagt Alain Altinoglu. »Aber der Säbeltanz ist nicht der repräsentativste davon, sondern in der Tat eher von der sowjetischen Musik geprägt, von der Chatschaturjan auch ein Teil sein wollte.« Und Altinoglu erinnert daran, dass Chatschaturjan »vierhändig mit Schostakowitsch an einem Wettbewerb teilgenommen hat, bei dem es darum ging, die neue Nationalhymne der Sowjetunion zu schreiben«. Er sei sehr enttäuscht gewesen, als er von Stalin im Finale nicht berücksichtigt wurde.
In Tbillisi geboren? Dennoch Armenier? »Die Armenier leben seit sehr langer Zeit in der Diaspora«, weiß Alain Altinoglu, der Chefdirigent des hr-Sinfonieorchesters. Er weiß es auch aus seiner eigenen Geschichte: Altinoglu selbst wurde in Paris geboren, seine Eltern in der Türkei – und dennoch steckt in ihm eine armenische Seele. »Meine Familie bestand seit mehreren Generationen aus Armeniern aus der Region Türkei, wie es früher viele gab. Meine Muttersprache ist daher Armenisch. Bevor wir zu Altinoglu türkisiert wurden, also bis Anfang des 20. Jahrhunderts, war unser Familienname Altounian.«
Dieser armenischen Seele, der »Armenian Soul«, ist ein Schwerpunkt gewidmet in dieser Saison des hr-Sinfonieorchesters. Eingeladen dazu ist ein armenischer Geiger, der als Kind nach Frankfurt kam und von dort aus eine internationale Karriere startete: Sergey Khachatryan. Er wird das funkenschlagende Violinkonzert von Aram Chatschaturjan spielen, von dem auch noch ein besonders ins Ohr gehendes Pas de deux aus dem Ballett Spartacus zu hören sein wird.
Und endlich findet auch einmal Kammermusik aus Armenien ihren Weg in die Alte Oper und in den hr-Sendesaal. Die Geschwister Sergey und Lusine Khachatryan werden zu erleben sein, aber auch Alain Altinoglu am Klavier, mit Werken u.a. von Komitas Vardapet. Dieser Priester, Sänger und Komponist gilt als der Begründer der modernen klassischen armenischen Musik, war zudem gleichermaßen Musikethnologe und Person der Zeitgeschichte. Und er ist, sagt Altinoglu, »eine Legende unter armenischen Musikern«. Wie Bartók in Ungarn habe Komitas Volkslieder transkribiert und damit schriftlich festgehalten. »Bei jedem Fest, jeder Hochzeit, jedem Familientreffen habe ich diese Musik gehört, sie hat mich immer begleitet.«