Frau schaut in Kamera

Sie entwirft modische Taschen, faltet Origami und knetet vor Konzerten ihre Finger mit einem Zauberwürfel warm. Das brauche sie, erklärt die Deutsch-Japanerin Alice Sara Ott, die zu den gefragtesten Pianistinnen ihrer Generation gehört.

Manchmal tritt sie im Abendkleid und barfuß auf. Das macht sie, seit sie einmal auf einem historischen Klavier spielte, das sehr viel niedriger war als heutige Flügel, und mit ihren High Heels die Beine nicht unter das Instrument bekam. Das fand sie sehr entspannend. Überhaupt mag sie die Förmlichkeit, den Dresscode bei klassischen Konzerten gar nicht. »Ich bin der Meinung, dass man sich der Musik nur dann komplett öffnen kann, wenn man sich auch hundertprozentig wohl fühlt«, sagte sie 2015 in einem Interview mit op-online.

Frühstart

1988 in München geboren, saß Alice Sara Ott bereits mit vier Jahren am Klavier, was ihrer Mutter zunächst gar nicht recht war. Aber Talent setzt sich gemeinhin durch, und so begann sie bereits mit 12 Jahren ein Studium bei Karl-Heinz Kämmerling am Salzburger Mozarteum. Mit 14 gewann sie den »Most Promising Artist Award« des Internationalen Klavierwettbewerbs im japanischen Hamamatsu und war damit die jüngste Finalistin in der Geschichte des Wettbewerbs. Das sollte nicht ihre einzige Auszeichnung bleiben. Viele weitere Preise folgten, darunter 2010 der ECHO Klassik als »Nachwuchskünstlerin des Jahres«.

Mittlerweile hat sie mit führenden Dirgenten weltweit konzertiert, unter anderen mit Lorin Maazel, Gustavo Dudamel und Paavo Järvi, »Conductor Laureate« des hr-Sinfonieorchesters. Auch Chefdirigent Andrés Orozco-Estrada ist ihr kein Fremder; mit ihm und dem hr-Sinfonieorchester ist sie 2015 in der Alten Oper aufgetreten und danach auf Japan-Tournee gegangen.

Kontraste

Zusammen mit dem isländischen Komponisten und Produzenten Ólafur Arnalds hat Alice Sara Ott neue Wege für Musikproduktionen und Konzerte beschritten, und das mit der Musik von Chopin. Kein steriles Studio, sondern ungewöhnliche Orte wie Bars, Kneipen und Theater. So kam ein Hauskonzert im Frankfurter Mousonturm zustande – ganz klar barfuß – oder ein Auftritt im »Cocoon Club«, Sven Väths Techno-Tempel im Frankfurter Ostend.

2018 hat sie ihre letzte – achte – CD veröffentlicht. »Nightfall«, »Dämmerung« hat den Übergang von Tag in die Nacht, Leben oder Tod zum Thema, anhand der Musiken der drei der bekanntesten Atmosphäriker Frankreichs: Claude Debussy, Erik Satie und Maurice Ravel.

Schicksalsschlag

Ott sagte in 2018 etliche Konzerte ab, was in der Klassikgemeinde große Sorgen hervorrief. Im Februar 2019 gab die Pianistin dann den Grund bekannt: Sie ist an Multipler Sklerose erkrankt. »Die Entscheidung, diese Nachricht mit allen zu teilen, ist mir nicht leicht gefallen. Aber dennoch glaube ich, dass sie richtig ist. MS gehört zu den missverstandensten Krankheiten in unserer Gesellschaft und indem ich offen mit ihr umgehe, hoffe ich, andere Betroffene (vor allem jene, die gerade in jungen Jahren damit konfrontiert werden) auch dazu ermutigen zu können. Ein Eingeständnis ist keine Schwäche, sondern ein Weg, sich und sein Umfeld zu schützen und zu stärken«, schrieb sie in den Sozialen Medien.

Nun ist sie zurück auf der Bühne und will trotz Krankheit weitermachen.

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